Kino im Kopf
»Ein bisschen wie ein trunkener Abend in einer Studenten-WG-Küche, bei dem man sich unentwegt ins Wort fällt, bei dem eine Idee gar nicht grotesk genug sein kann.«
Süddeutsche Zeitung, Janne Knödler (04. April 2019)

Scharnow.
von Bela B. Felsenheimer
Verlag: Heyne Hardcore
ISBN (HC): 978-3-453-27136-4
Preis: HC 20,00€, TB 10,99€, E-Book 9,99€
Besonders empfehlenswert ist die Hörbuchfassung, gelesen vom Autor für 21,95€ (Stand April 2023 lt. Website des Verlags).
Uff. Wie kann man einen Titel wie Scharnow rezensieren? Worum geht es überhaupt im Debutroman des „Besten Schlagzeugers der Welt“? Diejenigen unter euch, die diesen nicht mehr ganz taufrischen Titel gelesen haben, werden verstehen, warum ich mich so schwer tue, etwas zu diesem Buch zu Papier zu bringen. Denn Scharnow ist – vorsichtig ausgedrückt – speziell.
Beginnen wir also am Anfang. Damals, als das Buch erschien, war ich als Buchhandels-Azubi überglücklich. Der Autor ist natürlich bekannt, doch nicht jeder, der berühmt ist, kann auch ein Buch schreiben (oder sollte es zumindest nicht). Dass wir damals vom Verlag also ein Rezensionsexemplar bekamen, ließ meinen shcmalen Geldbeutel aufjauchzen. Musikalisch mochte ich Bela B. schon seit meinen Teenager-Jahren und so konnte ich es kaum abwarten, was dieser Verstand auf der Grenze zwischen Genialität und Debilität der Welt Neues zu bieten hat.
Ich habe den Titel verschlungen, wenn er auch nicht immer ganz zu leicht zu lesen ist. Es gibt schnelle Ortswechsel, Handlungssprünge, unvorhergesehene Plottwists. Kurz um: Ich beneide den Lektor nicht gerade. Auch jetzt, da ich den Titel nach mehreren Jahren erneut gelesen habe, fallen mir Vergleiche wie „eine Kreuzung aus Natur-Doku und Italo-Western“ leichter, als tatsächlich eine aussagekräftige Inhaltsangabe zu schreiben. Deshalb möchte ich euch Kurz den Klappentext an die Hand geben.
Klappentext
„In Scharnow, einem Dorf nördlich von Berlin, ist der Hund begraben. Scheinbar. Tatsächlich wird hier gerade die Welt gewendet: Schützen liegen auf der Lauer, um die Agenten einer Universalmacht zu vernichten, mordlustige Bücher richten blutige Verheerung an, und mittendrin hat ein Pakt der Glücklichen plötzlich kein Bier mehr. Wenn sich dann ein syrischer Praktikant für ein Mangamädchen stark macht, ist auch die Liebe nicht weit.
Bela B. Felsenheimer entfesselt in der deutschen Provinz einen wilden Tornado der Ereignisse, der sich in die ganze Welt auszubreiten droht.“
Scharnow ist eine abgeranzte Kleinstadt in Brandenburg. Stadt ist vielleicht schon zu viel gesagt, doch immerhin gibt es einen Lebensmitteldiscounter, ein Hochhaus, Schullandheim, Polizei und sogar ein Internetcafé, eine Mischung wie sie nur noch in der deutschen Provinz vorkommen kann.
Doch die Charaktere, die uns begegnen, sind so vielfältig wie in jedem schillernden Großstadt-Thriller. Es gibt Verschwörungstheoretiker, Hundeliebhaber, Leute, die ganz normal ihrem Alltag nachgehen. Es gibt verschimmelte WG-Küchen, die lieber zugemauert werden, als das Grauen darin zu beseitigen und es gibt unheimliche Mächte, die am Werk sind – alles in allem also die ganz normale Kleinstadt.
Den Inhalt verständlicher zu machen, ist meiner Meinung nach nicht möglich. Scharnow muss man selbst gelesen, muss man erlebt haben. Der Autor selbst widmet das Buch seiner Kindheit in Spandau, und auch wenn ich bisher nicht in Spandau war, glaube ich, dass es gewisse „Charaktere“ so oder so ähnlich in vielen deutschen Städten gibt. Man muss dem Buch ein wenig das eigene Tempo aufzwingen, muss sich die Handlung aber unbedingt bildlich vorstellen können, denn Scharnow ist eigentlich nur als Vorwand ein Roman. Eigentlich ist es ein Film, den man vor dem inneren Auge abspielen muss, um ihn in seiner ganzen Absurdität zu begreifen.
Ich habe es manchmal ganz gern skurril. Mich würde aber durchaus interessieren, wie ihr dazu steht. Macht es euch nervös, wenn dem Ganzen kein lineares Konzept zu Grunde liegt oder heißt ihr das Chaos mit offenen Armen Willkommen? Lasst es mich wissen.
Ich derweil bin dann mal weg. Ich drehe eine Runde durch Scharnow. 😉